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Warum bilden Sie eigentlich noch nicht aus?

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Wer ausbildet, wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Ein Unternehmer und eine Ausbildungsberaterin über die Vorteile, Auszubildende ins Team zu holen, und die Voraussetzung, die man als Betrieb mitbringen muss.

„Wer ausbildet, hat keine Personalprobleme mehr“

Anton Geißmar ist Geschäftsführer der Bewegtbildagentur Moodmacher+ GmbH in Hamburg. Seit 2020 bildet er selbst aus – zwei Auszubildende gehören inzwischen zum Team.

„Ich bin seit 2018 Geschäftsführer der Moodmacher+, und für mich war immer klar, dass wir irgendwann ausbilden werden. Ich bin einfach ein Fan von Berufsausbildungen. Learning by Doing, das ist genau mein Ding. Gerade in kleinen Betrieben ist eine Ausbildung eine super Möglichkeit, sehr schnell sehr viel machen zu dürfen. Ich habe einst selbst meine Ausbildung zum Mediengestalter in einer kleinen Firma gemacht. Nur meine zwei Chefs und ich – das war einfach toll. Jetzt will ich jungen Leuten die Chance geben, das auch zu erleben.

Gute Planbarkeit, geringes finanzielles Risiko

Wir haben genug zu tun, und auch wirtschaftlich ist es durchaus interessant. Auszubilden bedeutet keine hohe finanzielle Belastung und gleichzeitig eine super Planbarkeit. In unserer Branche ist die Fluktuation groß, und wir können es uns gar nicht leisten, ständig neue Leute einzuarbeiten – und dann sind die im Zweifel ein Jahr später wieder weg. Da ist es gut zu wissen, dass jemand auf jeden Fall zwei bis drei Jahre bleibt. Mindestens! Denn Ziel ist es natürlich, die Auszubildenden im Anschluss zu übernehmen. Wer nach der Ausbildung voll einsteigt, steckt dann schon in allen Prozessen drin. Das ist unglaublich wertvoll für jedes Unternehmen.

Bedenken sind meistens Ego-Themen

Die klassischen Bedenken, die manche Betriebe haben, sind in meinen Augen reine Ego-Themen. Wie „Dann bilde ich sie aus, und danach sind sie weg!“ oder „Die sind ja die Hälfte der Zeit in der Schule!“. Wer eine gute Ausbildung bietet, hält die Leute auch danach, davon bin ich überzeugt. Und ja, Auszubildende sind 30 Prozent der Zeit in der Schule. Deshalb bekommen sie auch ein Azubi-Gehalt. Man zahlt ja gar keine Vollzeitstelle und muss eben mit Azubi-Power planen – das ist doch machbar.

Keine Angst vor dem Prozess

Der Weg zum Ausbildungsbetrieb war für uns sehr unkompliziert. Bei der Handelskammer habe ich offene Türen eingerannt – meine Beraterin war wirklich hilfsbereit, hat auch mit der Prüfungsanmeldung und den Verträgen geholfen. Vor dem Prozess muss niemand Angst haben. Wer Lust auf junge Menschen und Spaß am Erklären hat, wird als Ausbilderin oder Ausbilder auf jeden Fall viel Freude haben. Unsere beiden Auszubildenden sind inzwischen voll ins Tagesgeschäft integriert, kreative und motivierte Sparringspartner und einfach eine echte Bereicherung fürs Team. Ich würde mir wünschen, dass mehr junge Menschen einen Beruf erlernen möchten und dass noch mehr Betriebe ihnen die Chance dazu geben. Wir werden diesen Weg auf jeden Fall auch in Zukunft weitergehen.“

„Ausbildungsbetrieb zu werden ist unkomplizierter, als viele denken“

Jessica Furnell ist Ausbildungsberaterin bei der Handelskammer Hamburg. Sie berät Unternehmen, die ausbilden möchten, und begleitet sie über den gesamten Prozess hinweg – von der Idee bis zum Berufsausbildungsvertrag und auch während der Ausbildung.

Faktor A: Welche Vorteile hat ein Unternehmen, wenn es ausbildet?

Jessica Furnell: Fast jede Branche klagt heute über den Fachkräftemangel. Wer ausbildet, zieht sich seine eigenen Fachkräfte heran. Mit einer guten Ausbildung bindet man die jungen Leute langfristig ans Unternehmen. Besser geht es doch gar nicht.

Kann jeder Betrieb ausbilden?

Es gibt bestimmte Kriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss, um ausbilden zu können. Aber es ist tatsächlich unkomplizierter und weniger aufwendig, als viele denken. Generell ist im Berufsausbildungsgesetz geregelt, wer unter welchen Bedingungen ausbilden darf. Die Handels- und Handwerkskammern erteilen die Ausbildungsberechtigungen: Die braucht zum einen der Betrieb selbst, zum anderen eine Person, die als Ausbilderin oder Ausbilder ernannt wird. Wer sich dafür interessiert, Ausbildungsbetrieb zu werden, sollte sich daher im ersten Schritt an die zuständige Kammer wenden. Wichtig: Für die Ausbildung im Handwerk sind die Handwerkskammern zuständig. Grundsätzlich können die Betriebe sicher sein: Ausbildungsberaterinnen oder Ausbildungsberater wollen niemandem Steine in den Weg legen. Unsere Aufgabe ist es, Ausbildung zu fördern. Deshalb versuchen wir auch individuelle Lösungen zu finden.

Was sind die Grundvoraussetzungen, die ein Betrieb erfüllen muss?

Für jeden Ausbildungsberuf gibt es einen Ausbildungsrahmenplan, in dem die entsprechenden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten aufgeführt sind, die Auszubildende im Laufe der Ausbildung erlernen müssen. Das Unternehmen muss in der Lage sein, diese Ausbildungsinhalte anhand des Tagesgeschäftes zu vermitteln. Sollte dies nicht der Fall sein, kann die Ausbildung unter Umständen auch in Kooperation mit einem anderen Unternehmen durchgeführt werden. Außerdem müssen die Art und Einrichtung des Betriebes, je nach Beruf, passend sein und die Ausbildung in Geschäftsräumen stattfinden. Eine Ausbildung in Privatwohnungen ist zum Beispiel nicht möglich. Wichtig ist auch, dass die Anzahl der Auszubildenden in einem angemessenen Verhältnis zur Anzahl der Fachkräfte steht. So lässt die Handelskammer Hamburg etwa keine Unternehmen zu, die nur aus einer Person bestehen. Mindestens zwei Vollzeit-Fachkräfte im angestrebten Ausbildungsberuf müssen im Unternehmen tätig sein. Das hat einen einfachen Grund: Gibt es nur eine Person und fällt diese durch Krankheit oder Urlaub aus, gibt es niemanden mehr, der dem Auszubildenden Ausbildungsinhalte vermitteln und ihn betreuen kann. Auch sollte ein Unternehmen mindestens ein Jahr erfolgreich am Markt sein. Man darf nicht vergessen: Auszubildende sind in der Regel Jugendliche, die direkt von der Schule kommen und noch nie gearbeitet haben. Sie brauchen gefestigte Strukturen und Arbeitsabläufe und feste Ansprechpartner.

Was müssen die Ausbilderinnen und Ausbilder mitbringen?

Ein Unternehmen muss aus dem Kreis der Fachkräfte bei der Kammer eine verantwortliche Ausbilderin oder einen Ausbilder benennen. Diese müssen eine persönliche und eine fachliche Eignung mitbringen und nachweisen. Persönlich geeignet sind in der Regel alle Personen außer denen, die Kinder und Jugendliche nicht beschäftigen dürfen oder die wiederholt oder schwer gegen dieses Gesetz oder die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und Bestimmungen verstoßen haben. Die fachliche Eignung unterteilt sich in zwei Bereiche: die berufliche Eignung sowie die berufs- und arbeitspädagogische Eignung, die für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte erforderlich ist. Die berufliche Eignung hat man zum Beispiel, wenn man selbst über einen Abschluss in dem Beruf verfügt, den man nun ausbilden möchte, oder ein ähnlich gelagertes Studium absolviert hat. Die arbeitspädagogische Eignung muss bei einer Prüfung an der Handels- oder Handwerkskammer nachgewiesen werden.

Ausbilderinnen und Ausbilder haben einen anspruchsvollen Job. Sie haben mit jungen Menschen zu tun, leiten an, motivieren und beurteilen. Sie sollten auch Probleme erkennen, Konflikte lösen und Ängste nehmen können. Das erfordert pädagogisches Geschick. Außerdem sollte man die wesentlichen Inhalte ausgewählter Gesetze kennen, die die Grundlage von Ausbildung sind. Diese berufs- und arbeitspädagogische Eignung muss in Form der bestandenen Ausbildereignungsprüfung nachgewiesen werden. Das Wissen wird in Vorbereitungskursen vermittelt, die bei den Kammern oder einem privaten Anbieter besucht werden können. Es gibt Onlinekurse, Präsenzkurse am Block oder solche mit wöchentlicher Teilnahme. Die Kurse sind freiwillig, man kann sich natürlich auch selbstständig auf die Prüfung vorbereiten. Entscheidend ist, dass berufliche und berufs- und arbeitspädagogische Kenntnis in der Person des Ausbilders vereint sind.

Wie geht ein Betrieb, der ausbilden will, am besten vor?

Wer ausbilden will, meldet sich zunächst für ein unverbindliches Vorabgespräch bei der Ausbildungsberatung der zuständigen Kammer. Dabei können erste Fragen geklärt und Unsicherheiten angesprochen werden. In der Handelskammer Hamburg ist das Prozedere so, dass in einem nächsten Schritt ein Termin vereinbart wird, zu dem die Ausbildungsberaterin oder der Ausbildungsberater in den Betrieb fährt. Diese sogenannte Ausbildungseignungsfeststellung dauert etwa 60 bis 90 Minuten.

Das klingt ein bisschen unangenehm …

Ist es aber nicht. Es ist ein Beratungsgespräch, in dem wir vor Ort die Voraussetzungen prüfen und dem Unternehmen vor allem alle wichtigen Infos und „Werkzeuge“ rund um das Thema Ausbildung an die Hand geben: Wo findet man Auszubildende, und wie sieht eigentlich ein Berufsausbildungsvertrag aus? Worauf muss hier besonders geachtet werden? Wie hoch ist die Ausbildungsvergütung? Welche Berufsschule ist zuständig, und wer meldet einen Auszubildenden dort an? All das und vieles mehr klären wir gemeinsam. Passt alles, wird ein Unternehmen anschließend bei uns als Ausbildungsbetrieb für einen bestimmten Ausbildungsberuf eingetragen. Sobald auch alle Unterlagen für die Ausbilderin oder den Ausbilder vorliegen, erfolgt auch deren Eintragung. Und dann kann es losgehen.

Wie viel Zeit sollte man für den Prozess insgesamt einplanen?

Das kommt darauf an. Manchmal können wir innerhalb von wenigen Tagen einen Termin für eine Ausbildungseignungsfeststellung vergeben. Es gibt aber auch Phasen, gerade im Frühsommer, in denen dies nicht möglich ist. Denn das ist die Zeit, in der wir die meisten Anfragen bekommen. Mein Tipp: Wer ab August oder September eines Jahres ausbilden möchte, sollte sich frühzeitig schon im vorangehenden Herbst oder Winter bei der Kammer melden und alle Berechtigungen einholen. Das verpflichtet ja erst einmal zu nichts – aber dann sind die Formalitäten schon mal erledigt.

Sind sie auch im Nachhinein für die Unternehmen da?

Ja, wir betreuen und beraten auch, wenn die Ausbildung begonnen hat. Wer Fragen oder Sorgen hat, kann sich immer bei uns melden – das gilt für die Betriebe genauso wie für die Auszubildenden. Diese Gespräche sind vertraulich. Wir sind für beide Seiten da und unterstützen gegebenenfalls auch bei Konflikten. Auch das kommt vor, nicht immer läuft alles reibungslos. Letztlich ist Ausbildung jedoch eine Investition in die Zukunft eines Unternehmens. Wer mit Interesse und Engagement ausbildet und Wert auf eine gute, fundierte Ausbildung legt, wird viel von seinen Auszubildenden zurückbekommen, und der Aufwand wird sich auf jeden Fall lohnen.

Ausbildungsbetrieb werden

Die Voraussetzungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um Ausbildungsbetrieb zu werden, können sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Für die Ausbildung von Handwerksberufen wird zudem als Nachweis der fachlichen Eignung in der Regel ein Meistertitel verlangt – jedoch kann es auch hier Ausnahmen geben. Wichtig ist deshalb, sich als Betrieb bei der zuständigen Kammer über die individuellen Bedingungen zu informieren. Auf den Websites der Handels- und Handwerkskammern finden sich alle Infos zu den jeweiligen Voraussetzungen, bei Fragen hilft die Ausbildungsberatung der entsprechenden Kammer weiter.

 

www.faktor-a.arbeitsagentur.de