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Betriebliche Altersversorgung: Die Arbeitgeber für ewig gefangen?

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Wenn auf späte Liebe früher Tod folgt, gibt es oft Streit um die Hinterbliebenenrente – und somit für Gerichte viel zu tun. Besonders wenn Chefetagen betroffen sind, geht es meist um viel Geld, und gerade dort ist die Lage unklar. Alexandra Ziegler gibt einen Überblick – und teilt dem Gesetzgeber mit, dass er ohnehin nur eine Option hat.

Nach der Grundsatzentscheidung des BAG vom 19. Februar 2019 – 3 AZR 198/18 – scheint es so, dass die Arbeitgeber, sofern die erteilte Versorgungszusage bzw. Versorgungsordnung eine unwirksame Späteheklausel auf Basis der Rechtsprechung der letzten zehn Jahre enthält, in den sauren Apfel beißen und Hinterbliebenenleistungen an spät Geehelichte zahlen müssen. Änderungen bestehender Zusagen sind bekanntlich nicht möglich.

Wann sind solche Späteheklauseln unwirksam?

Das ist immer dann der Fall, wenn sie an eine Mindestdauer der Ehe für die Begünstigung anknüpfen oder wenn maßgeblicher Stichtag für eine Eheschließung ein bestimmtes Alter vor der festen Altersgrenze ist. Insoweit fehlt es an einer Rechtfertigung für das mit einer Späteheklausel einhergehende Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nach dem AGG.

Wirksam sind solche Klauseln, wenn sie an ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip anknüpfen, wie das Erreichen der festen Altersgrenze der Versorgungsordnung, den Versorgungsfall oder das Ende des Anstellungsverhältnisses.

Welche Interessen sind hierbei zu berücksichtigten?

Die Interessenlage der Arbeitgeber kann nicht unterschiedlicher zu der der Hinterbliebenen sein, die natürlich ein primäres Versorgungsinteresse verfolgen; Arbeitgeber hingegen waren und sind seit jeher bestrebt, die Risiken aus einer Versorgungszusage (insb. für Hinterbliebene, die erst nach Eintritt des Versorgungsfalls bzw. im Rentenalter geehelicht wurden) zu begrenzen. Eben dies ist im Nachhinein ein Unterfangen, dass zur Unmöglichkeit führt, wenn eine Klausel mit einem Alter vor der festen Altersgrenze verwendet wurde.

Gilt dies für alle Versorgungszusagen?

Gerade die sehr werthaltigen Versorgungszusagen an Vorstandsmitglieder bzw. Mitglieder der Geschäftsführung sind noch ein Feld, das nicht abschließend gerichtlich überprüft wurde.

Der Geltungsbereich des AGG umfasst grundsätzlich auch GmbH-Geschäftsführer und Vorstände, da hier ein unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff zugrunde zu legen ist. Aber wäre das Abstellen auf die Regelaltersgrenze für diese Klientel der richtige Maßstab? Oder ist „Alter 60“ als interne feste Altersgrenze nicht ebenfalls angemessen, da „Alter 60“ das betriebsrentenrechtliche Strukturprinzip für solche Versorgungszusagen darstellt?

Eine Unwirksamkeit allein aufgrund der Tatsache, dass die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erreicht wurde, erscheint abstrus, da oft gar keine Versicherungspflicht für diese Personen in den gesetzlichen Systemen besteht und dieses Klientel die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung immer deutlich vor Erreichen der Regelaltersgrenze beziehen können.

Ermessensentscheidungen möglich?

Aber selbst wenn diese Klauseln wirksam wären, weil „Alter 60“ als feste Altersgrenze für diese Personen gilt, gibt es häufig ein weiteres Problem. Denn oft werden diese Klauseln mit einer Ermessensentscheidung des Aufsichtsorgans kombiniert, in deren Umsetzung das Aufsichtsorgan im Einzelfall über die Gewährung einer solchen Leistung separat beschließen kann.

Hier stellt sich die Frage, ob eine solche Ermessensentscheidung bereits bei der Anzeige der Eheschließung getroffen werden muss oder ggf. nicht auch erst, wenn der Versorgungsfall Tod eingetreten ist.

Optionen für Arbeitgeber

Der Themenbereich ist ein ungeklärtes Feld, das trotz der vorgenannten Grundsatzentscheidung dem Arbeitgeber gerade für die „Top Executive“-Ebene einen gewissen Spielraum gibt. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte diese Fälle entscheiden, insb. dann, wenn der späte neue Hinterbliebene als Erbe unberücksichtigt bleibt und ihm stattdessen die Rente versprochen wird.

Was heißt dies für Hinterbliebene im Allgemeinen?

Eine Hinterbliebenenversorgung – sei es im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Versorgungswerke, der Lebensversicherung, oder auch der betrieblichen Altersversorgung – wird selten als Einmalzahlung gewährt, sondern oft prozentual anteilig von der Rente des Verstorbenen abgeleitet.

Dabei ist die gesetzliche Rentenversicherung ein gutes Beispiel dafür, dass auch Hinterbliebene nicht automatisch Anspruch auf einen bestimmten Prozentsatz der Rente des Verstorbenen erhalten. Im Rahmen der Reform 2002 werden oft auch nur noch für zwei Jahre befristete Hinterbliebenenrenten gezahlt. Zusätzlich hängt die Höhe der Hinterbliebenenrenten von weiteren Kriterien wie der Anrechnung eigenen Einkommens ab.

Natürlich stellt sich in dem Zusammenhang damit stets die Frage, ob eine solche gekürzte Rente für den jeweiligen Hinterbliebenen eine ausreichende Versorgung darstellt. Umso wichtiger ist es daher, dass Hinterbliebene eine eigene Versorgung erworben haben. Ziel des Gesetzgebers muss daher die Erhöhung der Beteiligung am Arbeits- und Erwerbseinkommen sein.

Die Autorin ist Senior Counsel Labor Law & Special Topics der thyssenkrupp AG.